
Das ist der Titel eines Buches (2. Aufl., 2022) derselben Heike Pourian, die Paradigmenwechsel gedreht hat. Es trägt den Untertitel „Wach und spürend den Krisen unserer Zeit begegnen“. Auf der Rückseite vom Einband steht: „Könnte es sein, dass dem Sinnlichen, Genussvollen und Spielerischen unsere größte politische Kraft innewohnt? Der ganz normale Alltag macht es uns beinahe unmöglich zu spüren, dass wir lebendig sind. Unsere tägliche Routine beruht darauf, dass wir eben nicht empfinden, sondern uns taub machen und funktionieren. Diese in weiten Teilen lebensfeindliche Kultur erschaffen wir jeden Tag neu, einfach dadurch, dass wir sie für normal erklären. Eine Gesellschaft, die auf Wahrnehmen beruht, auf vertrauensvoller, kooperativer Hingabe an die Kräfte des Lebens – das ist eine echte Revolution.“ Ihr Buch handelt vom Nichtempfinden und vom Schmerz, den es verursacht, und ebenso von der Befreiung aus diesem Zustand und von der Freude, die sie bringt.
Leseprobe (261f):
„Eine große Turnhalle voller Leute, die sich bewegen. Zunächst ruckelt und holpert es ziemlich. Manche hier wirken bemüht locker, anderen ist ihre Unsicherheit und Orientierungslosigkeit deutlich anzusehen. Einige sind ganz still und lauschen, wieder andere sind intensiv damit beschäftigt, ihren Körper aufzuwärmen, sich zu dehnen, zu schütteln. Ich sehe geschlossene Augen, der Blick scheint nach innen gerichtet, und Augenpaare, die wach im Raum herumreisen. Menschen bewegen sich in den unterschiedlichsten Raumebenen, Geschwindigkeiten und Qualitäten. Allein, zu zweit, in wechselnden Konstellationen. Es gibt keinen Plan und keine Musik, die einen Rhythmus vorgibt. Keine Choreographie. Niemand weiß, was als nächstes passieren wird. Und niemand macht Ansagen, was zu tun ist. Es ist zunächst ein wildes und beliebiges Nebeneinander von Aktivitäten – bis sich allmählich eine Stimmigkeit einstellt und sich im Chaos Schönheit und Ordnung offenbaren. Ich stehe staunend und hellwach mitten in der Halle und spüre, dass alle am richtigen Platz sind. Und dass das Ganze, das ich hier bezeuge, mehr ist als die Summe seiner Teile. Dass alle im Raum bereit sind, sich von der Lebendigkeit der hier versammelten Menschen durchdringen zu lassen und ihr ganz Eigenes zur Gestaltung dieses Kunstwerks beizutragen. Dass hier in jeder Minute hunderte von kleinen Entscheidungen getroffen werden, für die es keine Gesetze, kein Mehrheitswahlrecht und kein Parlament braucht, sondern – ganz im Gegenteil – dass sich das hier nur aus einer großen Freiheit und Selbstverantwortung heraus entfalten kann: in einem bewusst geschaffenen und begeistert genutzten Raum. Hier geschieht Gestaltung aus dem Wahrnehmen heraus. Und da passiert es, dass mir diese Frage vor die Füße fällt, die aus einem Gespräch neulich in einer entfernten Ecke meines Bewusstseins hängen geblieben ist: Was kommt nach der Demokratie? Also was kommt, wenn wir Demokratie als System nicht mehr brauchen, um unser Zusammenleben als Menschen zu organisieren?
Das hier kommt nach der Demokratie!
Es kommt in dem Moment, wo wir die Kontrolle ganz haben und ganz aufgeben und darauf vertrauen, dass die Urkraft des Lebens eine kooperative, verbindende und hingebungsvoll verwobene ist. Was ich hier bezeuge ist das schöpferische Spiel der sprudelnden, ungebremsten und verbundenen Vielfalt. Gerechtigkeit kommt mir plötzlich wie ein kleinliches Konzept vor. Dies ist ein Zustand jenseits von gerecht und ungerecht. Ich vermute, so könnte die Politik der Zukunft aussehen.“
Heikes Buch ist nicht im Buchhandel erhältlich. Es kann auf wahrnehmen.org bestellt oder in einer Verteilstelle abgeholt werden. Wir sind auch eine. Es gibt kein Copyright. Die Texte im Buch können unter Nennung der Quelle frei genutzt und weitergegeben werden. Info zum Finanziellen.